500.000 € Schmerzensgeld für geistig behindertes Mädchen

In einem zwölf Jahre währenden Haftungsprozess gegen einen Gynäkologen hat das OLG Hamm einem geistig behinderten Mädchen 500.000 € Schmerzensgeld zugesprochen. Der Arzt hatte das Mädchen vor rund zwölf Jahren per Kaiserschnitt im Krankenhaus entbunden. Stunden nach der Geburt versagte der Kreislauf, eine Wiederbelebung wurde erforderlich. Eine Blutuntersuchung zur Ursachenfindung wurde aber zunächst nicht durchgeführt, was nach Ansicht des Gerichts einen groben Behandlungsfehler darstellte. Das Neugeborene habe damals eine hormonbedingte Unterzuckerung aufgewiesen, die mit der Gabe von Glukose leicht hätte behoben werden können. So aber habe die unentdeckte Unterzuckerung zu einer irreversiblen massiven Hirnschädigung des Kindes geführt, für die der Arzt verantwortlich sei.

Das Mädchen ist heute ein Pflegefall und wird von seinen Eltern zu Hause versorgt. Über das Schmerzensgeld hinaus verurteilte das Gericht den Gynäkologen zur Zinszahlung in 6-stelliger Höhe und zur Tragung sämtlicher dem Mädchen im Laufe seines Lebens durch die Behinderung entstehender Kosten.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 04.12.2018 – I-26 U 9/16

Arzthaftung – Aufklärung

8.000 € Schmerzensgeld wegen mangelhafter Aufklärung vor Sprunggelenks-OP
Ein „Orientierungsgespräch“ mit dem Arzt, das mehr als sechs Monate vor einer Operation stattfindet, stellt wegen des erheblichen zeitlichen Abstands unabhängig von seinem Inhalt keine ausreichende Aufklärung dar. Bei einem zeitlichen Abstand von mehr als sechs Monaten ist nach der Lebenserfahrung nicht mehr davon auszugehen, dass dem Patienten die Vor- und Nachteile sowie die Risiken eines Eingriffs noch gegenwärtig sind.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 15.11.2016 – 4 U 507/16
– veröffentlicht unter www.juris.de –

Arzthaftung, Schmerzensgeld 400.000,- €

400.000 € Schmerzensgeld nach grobem Behandlungsfehler bei Halswirbelsäulen-OP
Ist vor einer HWS-Operation eine neurologische Untersuchung geboten und unterbleibt diese, ist die Operation nicht indiziert. Die Vornahme eines schwerwiegenden operativen Eingriffs ohne zuvor gesicherte Diagnose kann als grober Behandlungsfehler zu werten sein. Dies hat das OLG Hamm entschieden und einer infolge einer Halswirbelsäulen-OP querschnittsgelähmten, selbständig atmungsunfähigen und sprachbeeinträchtigten Patientin ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 € und die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten von mehr als 10.000 € zugesprochen sowie die Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich materieller Schäden der Klägerin festgestellt.

Die in mehreren Schritten erfolgte Behandlung der Patientin sei aufgrund mehrerer Behandlungsfehler jedenfalls in der Gesamtschau grob fehlerhaft gewesen. Im Rahmen der stationären Behandlung vor der OP habe nur eine unvollständige Befunderhebung stattgefunden. Es sei differentialdiagnostisch eine neurologische Untersuchung und eine umfassende Bildgebung durch MRT erforderlich gewesen. Dennoch sei der Klägerin eine Operation angeraten worden, die so weder dem Grunde, noch der Form nach indiziert gewesen sei. Konservative Behandlungsmethoden seien noch nicht ansatzweise ausgeschöpft gewesen. Man habe insoweit mit der Patientin die Möglichkeit eines konservativen Behandlungsversuchs besprechen müssen. Weiterhin sei die gewählte Operationsmethode nicht sinnvoll gewesen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 11.11.2016 – I-26 U 111/15
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2016/26_U_111_15_Urteil_20161111.html