Kapitel 31.2.2 des EBM verfassungsgemäß

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.02.2023 – L 7 KA 12/18:

Das in Kapitel 31.2.2 des EBM („Definierte operative Eingriffe an der Körperoberfläche“) enthaltene Erfordernis einer histologischen Untersuchung entnommenen Materials und/oder einer Bilddokumentation des prä- und postoperativen Befundes bei dermatochirurgischen Eingriffen stellt sich nicht als verfassungswidrig dar. Hinsichtlich eines praktisch verstärkten Verlangens nach ästhetischer Veränderung im Genitalbereich, welches auch mit den Mitteln der plastischen Chirurgie erfolgen kann, ist es nicht als unvertretbar anzusehen, die medizinische Notwendigkeit mittels des Belegs von Fotodokumentationen des OP-Gebietes vorzunehmen.
Der Vertragsarzt hat die Möglichkeit, entsprechend der medizinischen Notwendigkeiten und Wirtschaftlichkeit zwischen der Histologie oder der Bilddokumentation zu wählen. Beide Mittel sind dazu geeignet, die Abrechnung medizinisch nicht notwendiger Eingriffe zu verhindern.

Keine Leistungsdelegation an AssistentInnen ohne Genehmigung (Vertragsarztrecht)

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.03.2021 – L 12 KA 126/16

Eine Delegation von Leistungen an ärztliches Personal kommt im vertragsärztlichen Bereich nur in Betracht, wenn es sich um angestellte Ärzte/Ärztinnen oder AssistentInnen handelt, deren Beschäftigung von den Zulassungsgremien genehmigt worden ist.
Die Einbindung eines Weiterbildungsassistenten bzw. einer Weiterbildungsassistentin ohne Genehmigung verletzt vertragsarztrechtliche Grundsätze und kann etwa aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung und gegen die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung Honorarrückforderungen nach sich ziehen. Werden Behandlungsfälle oder Beratungen abgerechnet, die vollständig oder auch nur teilweise von einer nicht genehmigten Weiterbildungsassistentin bzw. von einem nicht genehmigten Weiterbildungsassistenten erbracht wurden, kann dies zudem strafrechtliche Konsequenzen haben.
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V, § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV, § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä haben die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Ärztinnen die Pflicht, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben. Das Gebot der persönlichen Leistungserbringung dient der Qualitätssicherung und ist materielle Voraussetzung für jede ärztliche Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung. Ihm kommt für die Funktionsfähigkeit der Versorgung großes Gewicht zu. Es gilt nicht nur für die Behandlungs-, sondern auch für die ärztliche Verordnungstätigkeit. Vertragsärzte/-innen und ermächtigte KrankenhausärztInnen müssen es gleichermaßen beachten. Auch der Vergütungsanspruch hängt von der persönlichen Leistungserbringung ab. Für Leistungen, die nicht durch den Vertragsarzt/die Vertragsärztin persönlich erbracht werden, besteht ein Anspruch auf Vergütung daher nur, wenn die Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung vorliegen. Eine rückwirkende AssistentInnengenehmigung ist ausgeschlossen.
Soweit delegierbare Leistungen von nachgeordnetem medizinischem Personal bzw. von nicht genehmigten Weiterbildungsassistenten/-innen erbracht werden, folgt aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung regelmäßig aber eine ärztliche Präsenzpflicht im Zusammenspiel mit den Arbeitszeiten der die Leistung durchführenden MitarbeiterInnen.
Wer die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten oder einer Weiterbildungsassistentin nicht rechtzeitig genehmigen lässt, obwohl ihm bzw. ihr als Vertragsarzt/-ärztin bekannt war, dass die Beschäftigung und Einbindung der AssistentInnen in die vertragsärztliche Versorgung nur mit KV-Genehmigung zulässig waren, handelt grob fahrlässig. Einem Vertragsarzt bzw. einer Vertragsärztin muss durch das Anstellen einfachster Überlegungen klar sein, dass die Einbindung nicht genehmigter AssistentInnen in die vertragsärztliche Versorgung dazu führt, dass die von ihnen erbrachten Leistungen nicht vergütungsfähig sind“; LSG Bayern, aaO.

Regress bei Gesprächsleistungen, hier GOP 10, 11 und 17 EBM-Ä

Zur Honorar-Neufestlegung durch Schätzung bei grober Abrechnungs-Fahrlässigkeit

Die Aufhebung eines Honorarbescheids wegen nicht oder nicht in der erforderlichen Weise erbrachter vertragsärztlicher Leistungen hat zur Folge, dass das Honorar insgesamt neu festgesetzt werden kann. Die KV darf dabei den Umfang der Unrichtigkeit schätzen, wenn der Vertragsarzt grob fahrlässig gehandelt hat. Sie ist an der Neufestsetzung nicht dadurch gehindert, dass sie die gleiche Verhaltensweise in späteren Quartalen nicht ahndet.

Die Abrechnung der GOP 10, 11 und 17 EBM-Ä erfordert eine Zeitvorgabe von mindestens 15 Minuten. Hat sich der Vertragsarzt damit nicht vertraut gemacht und infolgedessen grob fahrlässig falsch abgerechnet, so ist die KV nach § 106d SGB 5 zur Schätzung des festzusetzenden Honorars berechtigt. Setzt sie das geschuldete Honorar in der Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe fest, ist das ausgeübte Schätzungsermessen in der Regel nicht zu beanstanden. 

Ein Vertragsarzt, der grob fahrlässig Falschabrechnungen zu verantworten hat, kann eine möglichst genaue Alternativberechnung nicht beanspruchen. Er muss sich als Folge seines gravierenden Fehlverhaltens auf eine mehr oder weniger grobe Schätzung verweisen lassen. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2020 – L 7 KA 10/20 WA